A. Was ist zu tun, wenn der Führerschein aufgrund Alkoholkonsums sichergestellt oder beschlagnahmt wurde?
Ist ihr Führerschein beschlagnahmt oder sichergestellt worden, so sollten Sie unbedingt sofort einen Anwalt aufsuchen und bis dato zunächst von Ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen.
Der von Ihnen beauftragte Rechtsanwalt hat die Möglichkeit Akteneinsicht zu nehmen und so eine erfolgsversprechende Verteidigungsstrategie zu entwickeln.
Sollten sich anhand der Aktenlage keine Zweifel an dem Tatvorwurf ergeben, so gibt es dennoch noch weitere Verteidigungsmöglichkeiten.
So besteht u.a. die Möglichkeit die Sperrfrist durch die Absolvierung eines verkehrs-psychologischen Seminars bereits im Gerichtsverfahren oder auch nach Rechtskraft einer Entscheidung durch Teilnahme an dem sog. Mainzer – Modell zu verkürzen.
Allerdings gibt es hierbei keine absolut sicheren Eckdaten. Die Rechtsprechung der einzelnen Gerichte variiert hierbei von 1-3 Monaten.
Zwischenzeitlich ist auch eine vorübergehende Praxis des VGH Baden-Württemberg und anderer Verwaltungsgerichte - bereits ab 1,1 Promille bei einer Neuerteilung der Fahrerlaubnis (nach einer Entziehung der Fahrerlaubnis) regelmäßig die Vorlage eines positiven MPU-Gutachtens zu fordern - vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben worden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass bei einem Promillegehalt von 1,1 bis 1,59 die Führerscheinstelle nicht ohne weiteres eine MPU anordnen darf.
Dies darf sie grundsätzlich nur bei einer Promillefahrt ab 1,6 tun.
Laut Bundesveraltungsgericht kann eine MPU auch bei unter 1,6 Promille angordnet werden, aber nur dann wenn im konkreten Fall noch weitere Umstände vorliegen, welche die Anordnung einer MPU rechtfertigen, vgl. BVerwG, Az.: 3 C 24/15, 3 C 13/16.
Zudem gilt es zu bedenken, dass eine MPU – Anordnung aber nur zwingend im Falle einer vorigen Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgen - ein bloßes Fahrverbot genügt hierbei nicht.
Sollte also – trotz 1,1 Promille (bzw. 1,6 Promille oder mehr) – gerichtlich zum Bsp. nur ein Fahrverbot angeordnet worden sein, so darf alos allein deshalb keine MPU angeordnet werden.
Denn § 13 der Fahrerlaubnisverordnung sieht die Klärung von Eignungszweifeln gerade nur im Rahmen eines Neuerteilungsverfahrens nach vorangegangener Entziehung der Fahrerlaubnis vor.
Eine Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt aber gerade nicht, wenn z.B. nur ein Fahrverbot angeordnet wurde.
Es bleibt aber auch in diesen Fällen die Möglichkeit, dass die Fahrerlaubnisbehörde nach Abschluss des Strafverfahrens ein allg. Überprüfungsverfahren der Fahreignung einleitet und im Rahmen dieses Verfahrens entsprechende Anordnungen trifft.
Ansonsten dürfen Sie, solange Ihr Führerschein (vorläufig) sichergestellt oder beschlagnahmt ist, keinesfalls ein Kraftfahrzeug führen. Anderenfalls würden Sie den Straftatbestand des Fahrens ohne Fahrerlaubnis verwirklichen, was zwingend die Entziehung der Fahrerlaubnis für mindestens sechs Monate zur Folge hätte.
Wird der Führerschein bereits bei der Polizeikontrolle oder am Unfallort beschlagnahmt, so entzieht das Gericht regelmäßig die Fahrerlaubnis vorläufig durch Beschluss.
Sofern eine Beschlagnahme noch nicht stattgefunden hat, ist der Führerschein nach erlassenem Gerichtsbeschluss von Ihnen herauszugeben, da die vorläufige Entziehung
gemäß § 111 a Abs. 3 als Anordnung der Beschlagnahme des Führerscheins wirkt.
Gegen die Beschlagnahme können Sie Antrag auf Aufhebung und Herausgabe des Führerscheins stellen.
Gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kann Beschwerde nach § 304 StPO eingelegt werden.
Beides hat aber keine aufschiebende Wirkung.
Die Überprüfung der Anordnung erfolgt in einem äußerst strengen Rahmen, so dass nur ausnahmsweise dann eine Aufhebung der Maßnahme erfolgen wird, wenn offensichtliche Umstände vorliegen, die es praktisch ausgeschlossen erscheinen lassen, dass es zu einer späteren Verurteilung bzw. zur späteren endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis kommen wird.
Fällt eine Überprüfung des Gerichtsbeschlusses zu ihren Ungunsten aus, so ist dies im Hinblick auf das zu erwartende Urteil eine selbst herbeigeführte
Schlechterstellung, da sich das Gericht in seiner Entscheidung womöglich an der vorab stattgefundenen Überprüfung der erlassenen Maßnahmen durch das Landgericht orientieren wird.
Ein weiterer Nachteil ist die Verzögerung des Verfahrens durch die vorgeschaltete Überprüfung der Maßnahme. Auch dies geht zumeist zu Lasten des Beschuldigten.
B. Einzelfallentscheidungen: Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht
1. Auch bei einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt mit 1,15 Promille kann im Einzelfall und aufgrund besonderer Umstände ein 3-monatiges Fahrverbot anstatt einer Entziehung der Fahrerlaubnis ausreichend sein (LG Stuttgart, Az.: 36 Ns 66 Js 30339/14).
2. Ein besonderes Nachtatverhalten (hier mehrwöchige Teilnahme an einem verkehrs-psycholgischen Seminar) kann im Zusammenwirken mit weiteren Punkten im Einzelfall dazu führen, dass auch im Falle einer verwirkten fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs gem. §315 c I Nr. 2, III Nr. 1 StGB ein dreimonatiges Fahrverbot anstatt einer Entziehung der Fahrerlaubis ausreichend ist (AG Backnang, Az.: 2 Cs 62 Js 33033/13).
3. Eine im Straßenverkehr verwirkte Nötigung in Tatmehrheit mit einer Beleidigung kann ein einmonatiges Fahrverbot rechtfertigen (AG Hersbruck, Az.: 2 CS 705 Js 73974/13).
4. Auch bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 44 km/h außerorts kommt eine fahr-lässige Begehungsweise in Betracht.
Zudem ist es in einem solchen Fall auch vertretbar bei einem Außendienstmitarbeiter, der über keine Voreintragungen verfügt, geständig ist und einen weiträumigen Kundenkreis bedienen muss, ein an und für sich indiziertes Fahrverbot gegen Verdoppelung der Geldbuße in Wegfall zu bringen (AG Backnang, Az.: 2 Owi 66 Js 71041/10).
5. Stellt die Bußgeldbehörde trotz ihr bekannter neuer Adresses des Betroffenen das Verfahren gem. §33 I S.1 Nr. 5 OWiG wegen "angeblicher Abwesenheit des Betroffenen" zunächst vorläufig ein, so tritt hierdurch keine Verjährungsunterbrechung ein (OLG Stuttgart, Az.: 4 Ss 168/12).
Das Verfahren wurde letztlich (auch) auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und unter Auferlegung der Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse vom OLG eingestellt.
6. Trifft einem Betroffenen an einem Verkehrsunfall nur ein geringfügiges Verschulden, so kann das gegen ihn eingeleitete Bußgeldverfahren eingestellt werden (AG Schwäbisch-Gmünd, Az.: 2 Owi 25 Js 18659/13).
Gleiches kann gelten, wenn die Verschuldensfrage erst durch ein Sachverständigengutachten zu klären wäre und wenn ein Mitverschulden des vermeintlich Geschädigten nicht auszuschließen ist (vgl. u.a. AG Leonberg, Az.: 2 Owi 25 Js 18659/13).
7. Bei einem Promillewert von 2,84 kommt regelmäßig eine verminderte Schuldfähigkeit in Betracht. Fährt wie hier der Angeklagte zudem nur eine ganz kurze Strecke, da er (hier vermeidbar) unzutreffend davon ausging, dass sein Fahrzeug von Dritten beschädigt werde, so genügt idR ein Fahrverbot anstelle der Entziehung der Fahrerlaubnis (AG Backnang, Az.: 2 Cs 60 Js 96937/14).
8. Ein Kraftfahrzeugführer, der während der Fahrt ein mit einer Freisprechanlage verbundenes Mobiltelefon in der Hand hält und über die Freisprechanlage telefoniert, verstößt nicht gegen das Verbot der Benutzung von Mobiltelefonen gemäß § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO, solange er keine weiteren Funktionen des in der Hand gehaltenen Geräts nutzt, (vgl. OLG Stuttgart - Beschluss vom 25.4.2016, 4 Ss 212/16).
Wer sein Handy während der Fahrt in der Hand hält, verstößt nicht automatisch gegen das Verbot am Steuer“
Mit einem Beschluss hat das Oberlandesgericht Stuttgart das Handyverbot am Steuer aufgelockert.
Das Handy während der Fahrt in der Hand zu halten, verstößt danach nicht mehr ohne weiteres gegen das Handyverbot am Steuer.
Das OLG Stuttgart sieht den Grund dafür in einem Wort des neu formulierten Gesetzestextes.
Der Grund für die Entscheidung ist ein kleines, unscheinbares Wort am Ende der neu formulierten Straßenverkehrsordnung.
Hieß es dort ursprünglich, die Benutzung des Telefons ist untersagt, wenn der Fahrer hierfür das Gerät aufnimmt oder hält, ist jetzt dort zu lesen, dass der, der ein Fahrzeug führt, ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen darf, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss. Für das OLG Stuttgart ist das Wort muss entscheidend.
Im konkreten Fall gab der Autofahrer an, während des Telefongesprächs ins Auto gestiegen zu sein, worauf sich die Freisprechanlage aktivierte, die er anschließend auch zum Telefonieren genutzt habe. Das Handy habe er schließlich vergessen abzulegen und daher noch in der Hand gehalten.
9. Seit dem 30.05.2017 ist das sog. "Gaffen" bei Unglücksfällen bei Behinderung von Einsatzkräften gem. §323c II StGB unter Strafe gestellt (Geldstrafe oder Freihheitsstrafe bis zu einem Jahr).
Zudem kann ein solches Vergehen auch mit einem Fahrverbot sanktioniert werden.
Auch kann das Fotografieren am Unfallort nunmehr u.U. gem. §201a StGB als Straftat verfolgt werden.
Hinweis zu Ihrem Rechtsschutzvertrag:
Gem. §127 VVG besteht im Rahmen eines Rechtsschutzverhältnisses freie Anwaltswahl. Dies ist nicht abdingbar. §129 VVG.