Anwaltskanzlei Kasel
Anwaltskanzlei Kasel

A. Möglichkeiten der Schadensabwicklung bei einem Verkehrsunfall

 

Im Falle eines unverschuldeten Unfalls bestehen mehrere Möglichkeiten der Schadensabwicklung gegenüber dem Unfallverursacher bzw. dessen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung:

 

1. Der Eigentümer eines Fahrzeugs hat zunächst bei einem unverschuldeten Unfall stets das Recht zur Schadensabwicklung einen Rechtsanwalt zu beauftragen.

Die Kosten dessen muss so dann, soweit die Haftung des Unfallkontrahenten reicht, stets von der gegnerischen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung übernommen werden, (vgl. dazu BGH, Az.: VI ZR 43/05).

Dies hat seinen Grund insbesondere darin, dass damit eine Art Waffengleichheit geschaffen werden soll. Denn Versicherungen zahlen z.B. oft Pauschalen nur bei tatsächlicher Geltendmachung.

 

2. So dann hat der Geschädigte ein Wahlrecht zwischen sog. fiktiver oder tatsächlicher Abrechnung.

Der Geschädigte kann daher  fiktiv auf Basis eines Gutachtens oder eines Kostenvoranschlags abzurechnen.

 

Zu unterscheiden ist, ob ein Reparaturfall oder ein sog. Totalschadensfall gegeben ist.

 

a. Fiktive Abrechnung/Reparaturfall

 

In einem solchen Fall erhält man dann  nur

 

- die Nettoreparaturkosten,

- eine ggf. festgestellte Wertminderung,

- die Kosten für ein Gutachten bzw. einen Kostenvoranschlag und -

-die sog. Unkostenpauschale

 

Eine Besonderheit liegt in dem Fall vor, dass die im Gutachten deklarierten Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert, aber unter dem Wiederbeschaffungsaufwand liegen.

 

Viele Versicherungen zahlen in einem solchen Fall zunächst nur den Wiederbeschaffungswert abzgl. des Restwertes.

 

Liegen aber die Nettoreparaturkosten nicht  über dem Wiederbeschaffungswert (ohne Berücksichtigung des Restwerts) dann können trotzdem die Nettoreparaturkosten begehrt werden, wenn das Fahrzeug in einen verkehrssicheren Zustand versetzt wurde und mindestens noch 6 Monate lang weiter benutzt wurde (vgl. OLG Stuttgart, Az.: 7 U 217/09, BGH NJW 2003, 2085, BGH NJW 2006, 2179; BGH NJW 2008, 1941).

 

b. Fiktive Abrechnung/Totalschadensfall

 

In einem solchen Fall erhält man dann  nur

 

- den Wiederbeschaffungswert netto abzgl. Restwert netto

- die Kosten für ein Gutachten bzw. einen Kostenvoranschlag und

- die sog. Unkostenpauschale

 

c. Konkrete Abrechnung im Reparaturfall

Übersteigen die veranschlagten Reparaturkosten nicht 130% des Wiederbeschaffungswerts dann kann man sein Fahrzeug auch reparieren lassen und erhält die tatsächlichen Reparaturkosten.

 

Man erhält bei konkreter Abrechnung dann

 

- die Reparaturkosten brutto,

- eine ggf. festgestellte Wertminderung,

- die Kosten für ein Gutachten bzw. einen Kostenvoranschlag,

- Nutzungsausfall bzw. adäquate Mietwagenkosten für die Dauer der Reparatur,

- die sog. Unkostenpauschale

 

d. konkrete Abrechnung im Totalschadensfalle

 

In einem solchen Fall erhält man

 

- den Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert,

- die Kosten für ein Gutachten bzw. einen Kostenvoranschlag,

- Nutzungsausfall bzw. adäquate Mietwagenkosten für die Dauer einer tatsächlichen

  Ersatzbeschaffung eines Ersatzfahrzeugs zzgl. für die Dauer vom Unfall bis zur    

  Schadensaufnahme zzgl. für die Dauer einer Überlegungsfrist von 1-3 Tagen             

  (vgl. OLG Celle, Az.: 5 U 159/13),

- Kosten für die Ab- und Ummeldung,

- die sog. Unkostenpauschale.

 

e. Einen Sonderfall stellt eine mögliche Abrechnung bei Beschädigung eines neuwertigen Fahrzeugs dar.

 

Bei einer erheblichen Beschädigung eines neuwertigen Fahrzeugs kann der Geschädigte Anspruch auf Ersatz des Schadens auf der Basis des Neuwagenpreises haben.

Folgende beiden Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

 

aa. Das Fahrzeug muss neuwertig sein.

Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Fahrzeug als Neuwagen angeschafft wurde und nicht älter als einen Monat und nicht mehr als 1.000 km gefahren ist. Unter Umständen kann In Einzelfällen Neuwertigkeit noch bis zu einer Fahrleistung von bis zu 3.000 km vorliegen. Weist das Fahrzeug eine Laufleistung von 1.000 bis 3.000 km auf, so kommt ebenfalls ein Neuwagenersatz in Betracht, wenn der Zustand vor dem Unfall durch eine Reparatur nicht annähernd wiederhergestellt werden kann. Die verbleibenden Mängel können sich sowohl auf die Funktionalität, die Sicherheit wie auch auf das Aussehen des Fahrzeugs beziehen.

 

bb. Das Fahrzeug muss durch den Unfall erheblich beschädigt worden sein.

Dies kommt dann in Betracht, wenn die Beschädigungen so erheblich sind, dass die weitere Nutzung des beschädigten Kfz auch nach fachgerechter Reparatur und Abgeltung einer Wertminderung dem Geschädigten nicht zugemutet werden kann. Diese Erheblichkeitsgrenze ist idR erreicht,  wenn die Reparaturkosten bei einer Grenze von 30% und des Neupreises liegen. Es kommt jedoch stets auch zusätzlich auf das Schadensbild an.

Bei einer Abrechnung auf Neuwagenbasis ist darauf zu achten, dass alle Schadensminderungspflichten bezüglich der Verwertung des Altfahrzeuges beachtet werden (Bsp. die Realisierung von Rabatten bei Inzahlunggabe des Altwagens).

 

f. Unabhängig von der Wahl der Abrechnungsart des materiellen Schadens bleiben ggf. bestehende Ansprüche immaterieller Schadensersatzansprüche aufgrund erlittener Verletzungen.

 

 

B.Sonderfall: Unfallabwicklung mit einem geleastem Fahrzeug

 

Viele Leasingnehmer verkennen, dass bei einem Leasingfahrzeug der Leasinggeber Eigentümer des Fahrzeugs bleibt und auch bei einem Verkehrsunfall Schadensersatzansprüche zunächst grundsätzlich auch dem Eigentümer (Leasinggeber) und nicht dem Besitzer (Leasingnehmer) zustehen.

Wer ein Fahrzeug least, wird eben nicht bereits damit Eigentümer, sondern dies wird zunächst der Leasinggeber.

Bei einem Unfallschaden stehen also Schadensersatzansprüche grundsätzlich zunächst auch dem Eigentümer (Leasinggeber) zu.

 

Leasingnehmer sind daher insbesondere in der Regel nicht zu einer fiktiven Geltendmachung der Schadensersatzansprüche z.B. auf Gutachtenbasis berechtigt.

 

Zu beachten ist, dass es sich in einer solche Konstellation um eine sog. Dreiecksbeziehung handelt.

Es sind also nicht nur der Geschädigte und der Schädiger zu betrachten, sondern zusätzlich sind die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer zu bedenken.  

Das Leasingvertragsrecht und der Schadenersatzanspruch laufen nicht zwingend parallel. Es kann passieren, dass der Schadenersatz nicht reicht, um die Ansprüche des Leasinggebers gegen den Leasingnehmer abzudecken. Vorallem bei jungen Fahrzeugen mit kleiner oder gar keiner Leasingsonderzahlung ist es nicht selten, dass die Entwertung des Fahrzeugs so schnell voranschreitet, dass sie noch nicht durch die Raten kompensiert ist.  

Da hilft auch das Schadenrecht nicht. Denn der Schädiger muss bei einer Totalschadenabrechnung nur den Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert erstatten.

 

Anspruchssteller ist bei einem Verkehrsunfall – wie eingangs erwähnt – zunächst der Leasingeber als Eigentümer.

 

Das ist insbesondere wichtig in den Fällen eines sog. Totalschadens (s.u.).

 

Liegt dagegen nur ein sog. Reparaturfall vor, sehen die meisten Leasingbedingungen vor, dass der Leasingnehmer diesen Schaden im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend machen muss.

Der Leasingnehmer ist dann berechtigt, die Ansprüche gegenüber dem Unfallverursacher bzw. dessen Kraftfahrtzeughaftpflichtversicherung geltend zu machen und notfalls auch auf eigenes Risiko einzuklagen.

Zu beachten ist, dass nahezu alle Leasingverträge in einem solchen Fall aber auch regeln, dass der Leasingnehmer den Leasinggeber von einem solchen Schadensfall unterrichtet und das Fahrzeug fachgemäß reparieren lässt.

 

Problematischer ist die Rechtslage hingegen bei einem sog. Totalschadensfall.

Sehen die AGB’s für diesen Fall keine entsprechende Regelung vor, dann muss der Leasingnehmer ggf. eine sog. Aktivlegitimation vom Leasinggeber besorgen und kann erst dann die Schadensersatzansprüche selbst geltend machen.

Manche Leasinggesellschaften machen solche Ansprüche aber oft auch selbst geltend.

 

Wichtig ist daher immer sich bei einem Unfall mit einem Leasingfahrzeug stets sofort mit dem Leasinggeber in Verbindung zu setzen.

 

Zu beachten ist abschließend noch, dass eine ggf. durch den Unfall verursachte Wertminderung des Fahrzeugs nicht dem Leasingnehmer, sondern dem Leasinggeber als Eigentümer zusteht.

 

Anspruch auf einen Mietwagen oder Nutzungsausfall hat hingegen der Leasingnehmer, weil ihm die Nutzung entzogen ist.  

 

Da man aufgrund der Leasingbedingungen oft gehalten ist, Ansprüche auf eigenes Risiko geltend zu machen, Zahlungen aber ggf. an den Leasinggeber zu erfolgen haben, sollte jeder der ein Fahrzeug least, vorher auch unbedingt eine Verkehrsrechtsschutzversicherung abschließen.

 

 

C. Einzelfallentscheidungen

 

1. Beruft sich eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (hier Beklagte) gegenüber geltend gemachten Mietwagenkosten für ein Fahrschulauto auf einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des Klägers und bestreitet die Höhe der Mietwagen-kosten, so genügt es nicht, wenn sich die Versicherung auf ein hausinternes Mietwagentableau beruft. Vielmer muss die Versicherung unter Beweisantritt konkrete Umstände darstellen, aus denen sich ergeben, dass der Kläger ein für seine Bedürfnisse (Fahrschulunternehmen) günstigeres Mietwagenfahrzeug hätte anmieten können ( AG Waiblingen, Az.: 8 C 105/11).

 

2. Das OLG Stuttgart (Beschluss vom 26.04.2010 - 3 W 15/10) hat entschieden, dass bei durchschnittlichen Verkehrsunfallsachen ein Prüfungszeitraum des Haftpflichtversicherers von 4 bis 6 Wochen abgewartet werden muss.

 

3. Ein Kraftfahrer ist verpflichtet, bei Annäherung an einen mit Warnblinkanlage eingeschalteten Bus, der in einer Haltebucht steht, auch Fußgänger zu beachten, die auf der Gegenfahrbahn stehen, um auch auf diese rechtzeitig reagieren zu können.

§20 IV StVO erfordert hierbei zudem ein Herabsetzen der Geschwindigkeit auf 4-7 km/h und dies nicht erst in dem Moment, in dem Fußgänger sichtbar werden.

(OLG Koblenz, Az.: 12 U 806/11).

 

4. Ein Unfall, der sich im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen 2 jeweils rückwärts ausparkenden Fahrzeugen ereignet, begründet eine Haftungsverteilung von 50/50 (AG Waiblingen, Az: 14 C 1531/14).

 

5. Einem Fahrzeugführer, der auf einer Vorfahrsstraße fahrend kurz blinkt, an einer Kreuzung aber dann doch gerade aus weiter fährt,  trifft  bei einem Unfall, mit dem in die Kreuzung Einfahrenden, der auf dieses Blinken vertraute, eine Mithaftung von 20%.

(LG Saarbrücken, Az.: 1 S 34/13).

 

6. Allein aus der Tatsache, dass ein Vorschaden (einer von mehreren trennbaren Schäden) gegenüber der Versicherung "verschwiegen wurde", kann ohne weitere Indizien keine Annahme eines angeblich fingierten Unfalls gefolgert werden (OLG Stuttgart, Az.: 13 U 166/14).

 

7. Die Höhe angemessener Mietwagenkosten bestimmt sich nach der Schwacke-Liste (OLG Stuttgart, Az.: 7 U 109/11, LG Stuttgart, Az.: 5 S 146/15, 5 S 149/15; AG Backnang, Az.: 4 C 895/15).

 

          

 

 

 

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